2022 Lübeck

Pharmazierätetagung 2022 in Lübeck

Erneut war die Freude groß, dass die 2 1/2-tägige Arbeitstagung (die 69. Jahrestagung!) der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) e.V. vom 09.10.2022 bis 12.10.2022 in Lübeck trotz immer noch anhaltender Pandemie in Präsenz, stattfinden konnte. Rund 60 ehrenamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland trafen sich mit Vertretern der zuständigen Ministerien und der Standesvertretung zur Diskussion über Fragen zur Apotheken­überwachung und zur Aktualität der Apotheken­betriebs­ordnung. Immerhin sind seit der letzten Novellierung bereits 10 Jahre vergangen. Ein weiteres Schwerpunktthema war medizinischer Cannabis und die im Raum stehende Legalisierung zu Genuss­zwecken.

Die Ergebnisse der Tagung wurden wie immer in Resolutionen verabschiedet.

Der Vorsitzende der APD, Marco Bubnick, eröffnete die Tagung mit einem Blick auf die breiter werdenden Überwachungsaufgaben der Pharmazieräte durch die Einführung neuer Dienstleistungen wie z.B. das Testen und Impfen. Hierzu ist Austausch untereinander wichtig, um mit gleichen Maßstäben den gesetzlichen Auftrag der Apothekenüberwachung zu erfüllen. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch die Aufhebung der Apothekenpflicht für Paxlovid. Apotheken sind mit ihrer niedrigschwelligen Erreichbarkeit und dem flächendeckenden Nacht- und Notdienst prädestiniert für die zeitnahe und zeitkritische Abgabe dieses Medikamentes. Ob dies durch Arztpraxen im nötigen Umfang gewährleistet werden kann, wenn hier oft Mittwoch- und Freitagnachmittag sowie an Wochenenden und Feiertagen geschlossen ist, darf gewiss hinterfragt werden.
 
Grußworte sprachen für das Ministerium für Justiz und Gesundheit der zuständige Referent Dr. Michael Hiob und für die Apothekerkammer Schleswig-Holstein der Präsident Dr. Kai Christiansen.
Herr Dr. Hiob dankte den Apotheken für die zuverlässige Arzneimittelversorgung, auch diese sei dafür verantwortlich, dass Deutschland bisher gut durch die Pandemie kommt. Mit Sorge betrachtete er den Rückgang der Apothekenzahl und stellte klar, dass die Apothekenbetriebsordnung mit ihren Regelungen auch in Zukunft die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen muss.
 
Herr Dr. Christiansen, dessen Vater selbst Pharmazierat im Ruhestand ist, verwies darauf, dass sich Apotheken im ganzen Land schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt sehen. Dazu gehören Lieferengpässe, Personalmangel, nicht sachgerechte Vergütung, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein kollegialer Zusammenhalt aller Apothekerinnen und Apotheker sei erforderlich.
Er plädierte für die Anmeldung vor Durchführung einer Apothekenrevision.
 
Aus dem BMG begrüßten die Pharmazieräte wieder Regierungsdirektor Thiemo Steinrücken. Er berichtete, dass auch im BMG die Pandemie weiterhin Arbeitskraft bindet. Er dankte den Apotheken, die als niedrigschwellige Anlaufstellen pro Monat ca. 15.000 bis 20.000 Corona Schutzimpfungen durchführen. Zeitnah werden auch Grippeschutzimpfungen in Apotheken durchgeführt werden können. Hier bat er um ein starkes Engagement der Apothekerschaft. Das BMG arbeitet an der Umsetzung des Koalitionsvertrages, der die Bekämpfung der Lieferengpässe und die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken vorsieht. Weiterhin soll eine Verbesserung der Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen und eine Verordnungsfähigkeit von Notfallbotendiensten erfolgen.
 
Als Mitglied der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), berichtete Dr. Michael Hiob, Ministerium für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein in Vertretung für die verhinderte Vorsitzende aus den Sitzungen. Aus dem Apothekenbereich sollten im Bereich der Ordnungswidrigkeiten § 34 ApBetrO neue Tatbestände (z.B. nicht angezeigte wesentliche Änderungen der Betriebsräume nach § 4 Abs. 6 ApBetrO) aufgenommen werden. Auch der Verbleib der Dokumentationen nach Schließung einer Apotheke sollte geregelt werden. Dies alles wurde als Forderung an das BMG gestellt.
 
Zunehmend stellen Leerblister in Arzneimittelpackungen ein Problem dar, diese sind nicht mit GMP-Regeln vereinbar. Die Zulassungsinhaber sollen hier aufgefordert werden alle Vertiefungen mit Tabletten zu füllen. Herr Dr. Hiob berichtete weiter, dass es im Bereich des Securpharm-Systems ca. 30.000 Alarmmeldungen pro Woche aufgrund von Handhabungsfehlern bei den Nutzern gibt.
 
Die Verwendung von Titandioxid in Arzneimitteln ist zwar noch erlaubt, im Lebensmittelbereich ist sie aber bereits verboten. Die Pharmaindustrie ist hier aufgefordert Alternativen zu prüfen und umzusetzen.
 
Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert, informierte über die aktuelle Berufspolitik und lobte die Apotheken für ihre großartige Leistung in der Pandemie. Die dafür zurecht erhaltene leistungsgerechte Vergütung jetzt argumentativ durch die Erhöhung des Kassenabschlags den Apotheken wieder wegzunehmen sei ungerecht. Zudem werden bei der Ärzteschaft diese einmaligen Sondereffekte nicht angerechnet, so dass hier mit ungleichen Maßstäben Einsparungen herbeigeführt werden sollen. Bei den Ärzten gibt es im kommenden Jahr sogar einen Zuwachs bei der Vergütung von etwa 2%.
 
Thomas Benkert stellte klar, dass der überwiegende Teil der Kollegen „eRezept ready“ sei, es gibt aber datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der Lösung eRezepte auf die eGK zu spielen.
 
Die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen ist erfolgt. Die Schiedsstelle lobte fünf abrechenbare Dienstleitungen aus, gegen diese Entscheidung wurde seitens der Ärzteschaft Klage eingereicht.
 
Die Novellierung der Approbationsordnung ist dringend erforderlich. Das Studium der Pharmazie soll um 2 Semester verlängert werden, ohne die Zulassungszahlen oder die Betreuungsintensität zu verringern, hierbei soll die klinische Pharmazie ausgeweitet werden und eine wissenschaftliche Arbeit als Wahlpflichtfach eingeführt werden. Leider stimmten als einzige Teilnehmer des Runden Tisches am Ende trotz aufgezeigter Kompromisse die Studierenden dem Vorschlag aufgrund der zu erwartenden Stundenfülle und zu befürchtender Überlastung nicht zu.
 
Der Geschäftsführer Recht der ABDA, Lutz Tisch, berichtete ausführlich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Arzneimittel- und Apothekenrecht und über aktuelle Gesetzgebungsverfahren, die die ABDA permanent und intensiv begleitet. Zudem sprach er über elektronische Verordnungen aus der EU und deren rechtliche Einordnung. Im Kern kann man festhalten, dass elektronische Verordnungen die analoge Welt in der digitalen Welt abbilden.
 
Ein gemeinsamer Botendienst mehrerer Apotheken mag ökonomisch sinnvoll erscheinen, eröffnet aber branchenfremden Logistikern die Möglichkeit des Markteintrittes. Das Thema der Weisungsgebundenheit des Logistikers, gegenüber der eines fest angestellten Mitarbeiters der Apotheke wurde intensiv beleuchtet.
 
Problematisch ist das Aufkeimen von Dritt-Plattformen zu beurteilen, die möglicherweise umsatzabhängige Beteiligungen bei Vermittlung von Kunden in den Verträgen vorsehen, was nicht mit dem Apothekengesetz vereinbar ist. Noch problematischer ist die Vermischung von telemedizinischen Angeboten mit dem Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.
 
Anschließend wurden Fragen zur Aktualität der geltenden Apothekenbetriebsordnung und zum Apothekenbetrieb erörtert. Nach Auffassung der APD sollte der Bote einer Apotheke bei der betreffenden Apotheke fest angestellt sein, nur so ist eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall sichergestellt. Weiterhin rechtfertigen nach Auffassung der APD Verstöße gegen die Apothekenbetriebsordnung bzgl. §§ 4, 7, 8, 11, und 17Abs. 4 die Einführung von Owi-Tatbeständen. Das BMG wird gebeten diese beiden Anliegen zu prüfen.
 
Die Vorträge am Dienstag waren ganz dem Thema medizinische Cannabisversorgung in der öffentlichen Apotheke und der möglicherweise bevorstehenden Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken gewidmet.
 
Nach einem spannenden Vortrag von Frau Otting von der Cannabisagentur über deren Arbeit und die komplexen Regelungen zum Anbau und zur Bereitstellung des BfArm- Cannabis folgte ein sehr dynamischer Vortrag unseres Pharmazieratskollegen Michael Becker über die Erfahrungen, Möglichkeiten und Grenzen der Versorgung mit medizinischem Cannabis in der öffentlichen Apotheke. Hierbei wurde auch das Thema Ausgangsstoffprüfung angesprochen. Schnell waren sich die anwesenden Pharmazieräte einig, dass die Verwendung von Schnelltests als alternative Testmethode nur akzeptabel ist, wenn das Testverfahren für die eindeutige Feststellung der Identität validiert ist. Die Hersteller derartiger Schnelltests sind aufgerufen, entsprechende Nachweise dem Apothekenleiter zur Verfügung zu stellen (siehe Resolutionen).
 
Im Anschluss folgte ein Vortrag der zwei Referenten Dr. Christiane Neubaur und Dr. Dennis Stracke vom Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. Hier wurde deutlich, dass die Genehmigungen zur Versorgung durch die Krankenkassen immer noch erschwert werden und oft erst im Widerspruchsverfahren eine Genehmigung zur Versorgung mit medizinischen Cannabisprodukten erteilt wird. Beide Referenten sahen die Gefahr, dass bei Legalisierung von Cannabis als Genussmittel die Verordnungsfähigkeit und die evidenzbasierte Therapie mit medizinischem Cannabis verloren gehen könnte. Dies ist in keiner Weise im Interesse der Patientinnen und Patienten und darf auch aus Sicht der Pharmazieräte nicht passieren (siehe Resolutionen).
 

Interna:

Aufgrund der Rechtsform der APD als e.V. fand am Mittwoch früh die Mitgliederversammlung der APD statt. Auch in diesem Jahr wurde der Vorstand einstimmig bei Stimmenthaltung der Vorstandsmitglieder entlastet und es wurde der Haushalt und die Kassenprüfung besprochen.
 
Die hervorragende Vorbereitung der Tagung und des Rahmenprogramms, in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister, und die Finanzen lagen beim Schatzmeister der APD, Dr. Walter Taeschner, erneut in bewährten Händen.
 
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dem Vorstand der APD, Kerstin Schack, Dr. Walter Taeschner, Dr. Michael Sax und Christian Züllich und den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Christian Bauer, Dr. Ute Stapel und Dr. Wolfgang Kircher, für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung.
 
Die APD bedankt sich für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen und Institutionen: ABDA, Apothekerkammer Schleswig-Holstein, Alliance Healthcare, Sanacorp eG, Dt. Avoxa, Wepa und Noventi Healthcare.
 

Zur Information:

Unter www.pharmazierat.de können alle Resolutionen und Berichte nachgelesen werden.

Zum Vormerken:

Die nächste Tagung der APD findet vom 08.10.2023 bis 11.10.2023 in Berlin statt. Es ist dann die 70. Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands.
 
Marco Bubnick
Vorsitzender der APD e.V.
Wittenburger Str. 40, 19053 Schwerin, Tel. 0385/732188, marco.bubnick@icloud.com
 
 
Resolutionen

Resolutionen 2022 (1)

Vor dem Hintergrund der Lagerhaltung von Paxlovid in Arztpraxen und vollstationären Pflegeeinrichtungen lehnt die APD das Dispensierrecht für Ärzte in jeglicher Form ab.

Resolutionen 2022 (2)

Die APD lehnt die Erlaubniserteilung für Apotheken unter Flexibilisierung der Vorgaben der ApBetrO entschieden ab.
 
Nach Auffassung der APD hat jede Betriebsstätte die Vorgaben der apothekenrechtlichen Vorschriften vollumfänglich zu erbringen.

Resolutionen 2022 (3)

Nach Auffassung der APD muss auch im Falle einer Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken die qualitativ hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis auf ärztliche Verordnung durch öffentliche Apotheken sichergestellt sein.

Resolutionen 2022 (4)

Bei der Ausgangsstoffprüfung von Cannabisblüten bzw. Cannabisextrakten ist die Verwendung von Schnelltests als alternative Testmethode nur akzeptabel, wenn das Testverfahren für die eindeutige Feststellung der Identität hinreichend validiert ist.
 
Die APD fordert die Hersteller auf, entsprechende Nachweise dem Apothekenleiter zur Verfügung zu stellen.
 
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