2018 Osnabrück
Pharmazierätetagung 2018 in Osnabrück - vom Abholfach über TCM-Granulate bis zur Zytostatikaherstellung
In diesem Jahr fand die 2 1/2-tägige Arbeitstagung (die 66. Jahrestagung!) der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands APD vom 16.09.2018 bis 19.09.2018 in Osnabrück statt. Um eine einheitliche und praxisgerechte Umsetzung der Vorschriften und Gesetze in allen Bundesländern zu gewährleisten, diskutierten rund 80 ehrenamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland mit Vertretern der zuständigen Ministerien und der Standesvertretungen Fragen aus der Apothekenüberwachung. Die Ergebnisse der intensiven Diskussion wurden in Form einer Resolution verabschiedet.
Bei der Eröffnung der Arbeitstagung fragte der Vorsitzende der APD,
Christian Bauer, ob die Tätigkeit als Pharmazierat mit diesen unsicheren politischen Zukunftsaussichten noch Freude mache. Er bejahte dies, weil die wirklich hervorragende Arbeit in den Apotheken, die er erlebe, ihn motiviere und verpflichte, sich weiter für die öffentliche Apotheke einzusetzen. Was die öffentliche Apotheke vor Ort leiste, z.B. in der Beratung, bei der Herstellung von Rezeptur-Arzneimitteln oder in der Aufrechterhaltung der Versorgung (siehe Valsartan-Rückruf), werde von der Politik nicht entsprechend gewürdigt. Die Pharmazieräte sollten überall, ob in Versammlungen oder in der Apotheke vor Ort, ihre Stimme erheben, denn sie wissen, wovon sie sprechen, da sie alle Apotheken in Deutschland kennen.
Grußworte sprachen für das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Ministerialdirigentin
Claudia Schröder
und für die Apothekerkammer Niedersachsen Präsidentin
Magdalena Linz.
Claudia Schröder
gab ein klares Bekenntnis für die wohnortnahe Arzneimittel-Versorgung durch öffentliche Apotheken ab. Die verpflichtende Einführung eines Stationsapothekers im Krankenhaus mit dem Krankenhausgesetz 2018 in Niedersachsen fördere die inter-professionelle Zusammenarbeit.
Magdalena Linz
bezeichnete die Pharmazieräte als den „Außendienst“ vor Ort, die sich mit Augenmaß und Sachverstand für die Patientensicherheit in den Apotheken einsetzen. Sorgen machen ihr die unsicheren Vertriebswege wie z.B. Importe oder die mangelnde Temperaturkontrolle beim Versandweg.
Ministerialrat
Hans-Georg Will, BMG, berichtete über geplante Gesetzesvorhaben im BMG, die auch die Apotheken beträfen wie z.B. das Terminservice und Versorgungs-gesetz TSGV. Zum „Apothekenpaket“ laufen derzeit noch im BMG die Überlegungen zur Umsetzung der konsentierten politischen Absichtserklärung „Rx-Versandverbot“ und zu
Fragen der zukünftigen Honorargestaltung der Apotheken. Bei der Telematik stellt sich die Frage, inwieweit der Patient die Verfügungsgewalt über das e-Rezept behält. In den Koalitionsvertrag wurde auch eine Neujustierung der Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe aufgenommen. Davon sind auch die Apotheker betroffen. Gibt es zukünftig moderat erweiterte Befugnisse? Das Berufsbild der PTA und die Ausbildung sollen neu strukturiert werden. Eine von PTA-Seite immer wieder geforderte
Vertretungsbefugnis der PTA, auch stundenweise,
lehnt die APD ab.
Aus der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landes-gesundheitsbehörden (AOLG), berichtete die derzeitige Vorsitzende, Ministerialrätin
Veronika Lamberti-Wesserling, Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Als Konsequenz aus dem Bottroper Zyto-Skandal ist eine unangekündigte Besichtigung einer Zytostatika-herstellenden Apotheke, verbunden mit einem Probenzug, nötig. Eine
Umarbeitung
einer bereits hergestellten Zytostatika-Zubereitung für einen anderen Patienten ist
nicht zulässig
(auch nicht nach § 11/1 ApBetrO). Es ist also weder erlaubt, Wirkstoff zuzugeben, zu entnehmen oder die Zubereitung zu verdünnen. Es sind deshalb alle
Rückläufer
grundsätzlich
zu vernichten. Aufgrund der Vorfälle um Lunapharm sollte die Importregelung in § 129 SGB V gestrichen werden.
Der Präsident der Bundesapothekerkammer,
Dr. Andreas Kiefer, zeigte sich besorgt, dass der Umfang des „Verbraucherschutzsystems öffentliche Apotheke“ immer weiter und immer schneller sinkt. Für ihn gehören Apotheker + Apotheke + Arzneimittel untrennbar zusammen. Bei der Ausgestaltung von Regelungen ist ein Individualbedürfnis gegen das Gemeinwohl und gegen eine Systemgefährdung sorgfältig abzuwägen. Das ABDA-Projekt e-Rezept wird in enger Abstimmung mit den Ärzten, der GKV und anderen Marktpartnern mit Zuweisungsverbot entwickelt.
Der Geschäftsführer Recht der ABDA,
Lutz Tisch, berichtete über aktuelle Gesetz-gebungsverfahren und über die aktuelle Rechtsprechung im Bereich Arzneimittel- und Apothekenrecht. Einleitend betonte er, dass die Arzneimittelversorgung durch die öffentliche Apotheke an einer Weichenstellung stehe, da 2 Kapitalgesellschaften den Markt im Versandbereich aufrollen wollen. Die Politik sei jetzt gefordert, verlässliche Rahmenbedingungen für eine sichere Arzneimittelversorgung durch die öffentliche Apotheke vor Ort zu schaffen.
Auf EU-Ebene wird die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Berufslegitimierungen in einer Richtlinie festgeschrieben. Dabei werden nicht nur die vorgesehene Reglementierung, sondern auch bestehende Regelungen überprüft.
Das OVG Münster hat unterschiedliche Regelungsregime für Präsenzversorgung und Versandhandel betont. Ein Botendienst hat nichts mit Versandhandel zu tun. Mischformen sind nicht zulässig (siehe
Resolution).
Dr. Walter Taeschner, Lörrach, stellte anschließend das
neue Portal der APD
als Unterstützung bei der Apothekenüberwachung vor. Es steht online und passwortgeschützt nur den Mitgliedern der APD zur Verfügung. Gegliedert nach der ApBetrO findet der Nutzer schnell und einfach den Gesetzestext (evtl. mit Kommentar), die APD-Resolutionen, die FAQs der AATB, aktuelle Gerichtsurteile und die Rechtsmittel. Ein wichtiger Punkt sind die gemeinsam erarbeiteten Punkte zur Revision mit vielen Tipps aus der Praxis zum jeweiligen Paragraphen. Beginnend mit 5 Paragraphen soll das Portal bald alle Paragraphen der ApBetrO umfassen.
Auch im Bereich der TCM-Granulate hat sich viel getan, ausgelöst durch die Resolution 2016 der APD.
Christian Bauer
zeigte die Anforderungen an
ein ordnungsgemäßes Prüfzertifikat bei TCM-Granulaten
auf. Neben den in der Resolution 2016 angeführten Punkten muss eindeutig das Drogenextraktverhältnis DEV nach Definition Ph.Eur. sowohl für den nativen Extrakt als auch für das daraus hergestellte Granulat angegeben werden. Auf jedem Fall vorhanden sein muss die Deklaration nach EMA guideline: Beispiel: „100g Granulat enthält als aktiven Inhalt 59g nativen Extrakt (als Trockenextrakt) von abc-Pflanze (4-7:1), äquivalent zu 236-413 g abc-Pflanze“. Neben ausreichenden Angaben zur Identität und Reinheit des TCM-Granulates darf eine Abschlussbeurteilung mit Freigabe der Charge (nicht nur der Probe) oder mit Bezug auf einen exemplarischen Probenzug nicht fehlen. Das Prüfzertifikat muss entweder von einer Person mit Herstellungserlaubnis oder von einem Sachverständigen nach § 65 AMG unterzeichnet sein (nicht z.B. von einem Lebensmittelchemiker).
Mittlerweile gibt es auch eine anerkannte Möglichkeit zur
Identitätsprüfung
für die meisten
TCM-Granulate. Mit einem validen
DC-Identifizierungssystem, basierend auf Referenzextrakten und wenigen Fließmittelgemischen, ist es mit einer normalen DC-Ausrüstung möglich, TCM-Granulate sicher und herstellerunabhängig in der Apotheke zu identifizieren. Diese Referenzextrakte sind sog. Sekundärstandards zur Identitätsprüfung. Das DC-Identifizierungssystem wird unter dem Namen TCM-Phyto-Ident System von der Fa. SinophytoMed, Waldsassen, vertrieben, die das System bereits vor Jahren zur internen Verwendung entwickelt und jetzt erweitert hat. Geplant sind in nächster Zeit Referenzextrakte für 200 TCM-Granulate. Ausführliche Informationen zu diesem Identifizierungssystem sind bei o.g. Firma erhältlich.
Ein Schwerpunkt der Tagung ist die Diskussion von Fragen zur Überwachung der ApBetrO und weiteren Gesetzen. Zu den Abholfächern wurde eine Resolution verfasst. Ein Tee-Arbeitsplatz ist nach ApBetrO vorgeschrieben. Die Lieferengpässe wurden mit einer Resolution thematisiert. Die Aufbewahrung von Dokumentationen bzgl. TFG, BtM,
Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln nach Schließung einer Apotheke wird in jedem Bundesland unterschiedlich gehandhabt und sollte vom BMG einheitlich geregelt werden. Beim kostenlosen Stellen und Verblistern besteht die Gefahr des Verstoßes gegen § 299 StGB.
Ein wichtiges Thema war die
Überwachung der Zytostatikaherstellung
in Apotheken. Auch wenn dies in vielen Bundesländern meist durch hauptamtliche Pharmazieräte durchgeführt wird, so können doch in diesen Fällen die ehrenamtlichen Pharmazieräte bei einer Revision der Apotheke auch Feststellungen im Zytostatikabereich machen (z.B. Einhaltung des 4-Augen-Prinzips, Beaufsichtigung der Herstellung, Kontrolle der Herstellungsdokumentation, Lagerung von Rückläufern und Anbrüchen). Mögliche Überwachungsmaßnahmen und der Probenzug wurden ausführlich diskutiert.
Regelungsbedarf sahen die Teilnehmer der Tagung auch im Bereich der
Verblisterung durch externe Lohnhersteller, z.B. Blisterzentren (siehe
Resolution). Die Lieferung der hergestellten Blister muss in die Apotheke erfolgen, die den Auftrag erteilt hat. Die Apotheke führt die Freigabe durch und liefert dann die Blister aus. Die Apotheke als abgebende Stelle trägt die volle Verantwortung.
Einen Ausblick auf zukünftige moderne patientenindividuelle orale Rezepturarzneimittel gab Pharmazierat
Dr. Wolfgang Kircher. Die
orodispersibeln Filme oder Schmelzfilme
lassen sich ohne größeren apparativen Aufwand auch in der Apothekenrezeptur herstellen. Mittels einer Eppendorfpipette ist eine zusätzliche dosisgenaue Auftragung des Wirkstoffs möglich. Das DAC/NRF wird aufgefordert, eine entsprechende Vorschrift zu entwickeln.
Den traditionellen Festvortrag zum Abschluss der Tagung hielt
Prof. Dr. Harald G. Schweim, Köln, über die „
Arzneimittelversorgung in Deutschland – von Fälschung bis Versandhandel“. Er machte bewusst, dass die öffentliche Apotheke der sicherste Ort der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ist und andere Vertriebswege ein Einfallstor für Fälschungen darstellen können. Gerade im Bereich der Fälschungen werden immer größere Milliardenumsätze getätigt. Ein großes Problem seien auch die zunehmenden Lieferengpässe, verursacht durch die Preispolitik und die zunehmende Verlagerung der Produktion ins Ausland. Man solle nicht am Arzneimittel sparen, sondern mit dem Arzneimittel. Dazu müsse der Staat seine Arzneimittelpolitik ändern.
Die ausgezeichnete Tagungsvorbereitung, in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister, und die Finanzen lagen beim Schatzmeister der APD,
Dr. Walter Taeschner, in bewährten Händen. Und wie immer ergänzt ein attraktives Rahmenprogramm jede APD-Tagung: die „Friedensstadt“ Osnabrück und die Umgebung boten bei bestem Wetter viele schöne Ansichten.
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dem Vorstand der APD,
Dr. Ute Stapel,
Dr. Wolfgang Kircher,
Dr. Walter Taeschner
und
Christian Züllich, für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung.
Die APD bedankt sich auch für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen und Institutionen: ABDA, Apothekerkammer Niedersachsen, Alliance Healthcare, Sanacorp, Dt. Apothekerverlag, Wepa und VSA. Durch diese Unterstützung ist es möglich, die Tagungsgebühren seit vielen Jahren konstant zu halten.
Zur Information:
Unter
www.pharmazierat.de
können alle Resolutionen und Berichte nachgelesen werden.
Zum Vormerken:
Die nächste Tagung der APD findet vom
06.10.2019 bis 09.10.2019
in Kassel statt.
Christian Bauer
Vorsitzender der APD
Löwen-Apotheke, Regensburger Str. 35, 93133 Burglengenfeld; Tel.
09471/5789;
ch-bauer@t-online.de