2014 Bremen
Mehr Pharmazie = Zukunft der Apotheke - das Motto der diesjährigen Pharmazierätetagung
Die jährliche Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) fand dieses Jahr vom 28. September bis 01. Oktober 2014 in Bremen statt. Über 90 ehrenamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland sowie Vertreter der zuständigen Ministerien und der Standesvertretungen diskutierten Fragen zur Apothekenüberwachung, zu Vorschriften und Gesetzen mit dem erklärten Ziel einer einheitlichen Umsetzung in allen Bundesländern.
Jedes Jahr treffen sich Pharmazieräte und Amtsapotheker als Sachverständige für das Apothekenwesen zu einer 2 1/2-tägigen Arbeitstagung, um gemeinsam mit Experten aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) und Vertretern der Standesorganisationen aktuelle fachliche und rechtliche Fragen zu diskutieren. Dabei liegt die Gewichtung bei der Beurteilung von Fragen zur Apothekenüberwachung eindeutig auf mehr Pharmazie. Die Ergebnisse der intensiven Diskussion zu einzelnen Punkten der ApBetrO wurden in Form einer Resolution einstimmig verabschiedet.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands,
Christian Bauer, eröffnete die Arbeitstagung mit einem Statement unter dem Gesichtspunkt „Mehr Pharmazie = Zukunft der Apotheke“. Er betonte, dass die Zukunft des Apothekers im akademischen Heilberuf liege, als der Fachmann für Arzneimittel, der umfassend versorge und gleichberechtigt unter den Heilberufen agiere. Den „Fachmann für Rabatte“ oder den „Abgebenden“ brauche die Gesellschaft nicht. Die Verabschiedung des Perspektivpapiers 2030 der ABDA auf dem Dt. Apothekertag sei ein Meilenstein für die öffentliche Apotheke und zeige, dass der überwiegende Teil des Berufstandes die Zukunft der Apotheke in mehr Pharmazie sehe. Die Pharmazieräte und Amtsapotheker werden diesen Weg weiterhin nachdrücklich unterstützen und begleiten. Sie seien die Multiplikatoren, die regelmäßig jede Apotheke erreichen. Mehr Pharmazie in den Apotheken zu verankern, sei auch eine Aufgabe der Pharmazieräte und Amtsapotheker im Sinne einer kontinuierlichen Weiter-entwicklung des Versorgungsauftrages der Apotheken.
Grußworte sprachen für den Senator für Gesundheit Bremen Oberpharmazierätin
Dr. Heide Schütt
sowie für die Apothekerkammer Bremen deren Präsident
Dr. Richard Klämbt.
Oberpharmazierätin
Dr. Heide Schütt
betonte die Wichtigkeit des „Motivators“. Pharmazierat und Amtsapotheker, die Probleme in der Apotheke im gemeinsamen kollegialen Gespräch zu lösen.
Präsident
Dr. Richard Klämbt
ging auf die reiche Geschichte Bremens ein und wies auf die Probleme Bremens wie Strukturschwäche oder fehlender Speckgürtel hin.
Neu im BMG zuständig für das Apothekenwesen ist Ministerialrat
Hans-Georg Will. Er gab ein klares Bekenntnis des BMG zur inhabergeführten Apotheke ab. Er sehe den entscheidenden Vorteil der inhabergeführten Apotheke in der persönlichen heilberuflichen Verantwortung des freiberuflich tätigen Apothekers. Er rief dazu auf, die Apothekertätigkeit weiter zu optimieren und die Vorteile des Modells “Inhabergeführte Apotheke“ jeden Tag deutlich heraus zu stellen. Apothekenterminals oder Apothekerbusse seien allenfalls Behelfslösungen. Weiter ging er auf derzeitige aktuelle Rechtsangelegenheiten wie Änderungen im MP-Recht, Verbot von online-Verschreibungen oder Fälschungsrichtlinie ein.
Der Präsident der Bundesapothekerkammer,
Dr. Andreas Kiefer, nahm das wegweisende Perspektivpapier 2030 als Grundlage, um die nächsten Ziele der BAK wie das Medikations- und Entlassmanagement durch die Apotheke vorzustellen. Dazu werde im November die BAK Leitlinie Medikationsanalyse veröffentlicht und Kriterien für eine einheitliche Fortbildung festgelegt. Er wies auch auf den Rezepturfinder des DAC/NRF mit über 1300 Rezeptformeln hin.
Über aktuelle Entwicklungen im Arzneimittel- und Apothekenrecht mit aktuellen Gerichtsurteilen aus Sicht der ABDA referierte der Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht,
Lutz Tisch. Er sah derzeit auf politischer Ebene eine Atempause im Apothekenbereich, die es zu nutzen gelte. Die aktuelle Rechtsprechung berücksichtige bei der Urteilsfindung verstärkt die pharmazeutische Ausrichtung der Apotheke, so z.B. die Urteile zu Ungarn-Pick-up, zu Vorteil 24 oder zur Krankenhausversorgung.
Der derzeitige Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), Ministerialrat
Dr. Michael Hiob, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, berichtete über die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe. So seien die derzeitigen Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht mit Versorgungsengpässen zu verwechseln. Im Apothekenbereich wird sich die Arbeitsgruppe nächstes Jahr mit der elektronischen Dokumentation in der Apotheke beschäftigen. Zum Thema Barrierefreiheit müssten die Apotheken alle Anstrengungen unternehmen und dies auch gegenüber den Aufsichtsbehörden belegen. Externe Lagerräume nach § 4 Abs. 2d Satz 5 ApBetrO dienten nur zur Lagerung und nicht für andere Funktionen (z.B. Rezeptbearbeitung, Herstellung oder Beratung).
Ein wichtiger Teil der Tagung ist immer der Austausch zu strittigen Fragen in der Apothekenüberwachung.
In einem Einführungsreferat ging Ministerialrat
Gert Bernscher, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, als Leiter der Projektgruppe der AATB zur einheitlichen Umsetzung der ApBetrO auf das überarbeitete Eckpunktepapier der AATB zur ApBetrO vom 27.02.2014 ein. So müssen erlaubnispflichtige Großhandelstätigkeiten in separaten Räumen durchgeführt werden. Der Vorrang der Arzneimittelversorgung ist ein Schwerpunkt der ApBetrO. Dies könne Beschränkungen von Art, Umfang und räumlicher Anordnung des Nebensortimentes erfordern (siehe auch Resolution). Die Beratung über Arzneimittel ist eine der wesentlichen Säulen des Apothekerberufes. Die Beratungspflicht nach § 20 Abs. 1 ApBetrO umfasst dabei auch freiverkäufliche Arzneimittel. Dies ist eine „Bringschuld“ der Apotheke und muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, sowohl fachlich als auch organisatorisch (z.B. im QMS). Die Beratung in der Apotheke wird im Rahmen der Revisionen überwacht werden (siehe auch Resolution).
Über eine zeitgemäße Ausstattung der Rezeptur referierte Pharmazierat
Dr. Wolfgang Kircher, Peißenberg. Ausgehend von der Empfehlungsliste 2010 der APD schlug er Ergänzungen vor, damit in jeder Apotheke die ordnungsgemäße Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln gewährleistet ist. Dies umfasst auch die Herstellung von zeitweilig nicht verfügbaren Fertigarzneimitteln (z.B. Rifampicin-Saft bei Hirnhautentzündung). Die Verwendung von Reibschale und Pistill aus Melamin ist oft nicht geeignet, da Melamin Wirkstoffe ab-und desorbiert (siehe z.B. Verfärbungen).
Eine Reibschale und Pistill aus Metall oder Glas soll daher in jeder Apotheke vorhanden sein. Auch müssen in jeder Apotheke ausreichende Primärpackmittel für die gängigen Arzneiformen vorhanden sein. Ein besonderes Augenmerk ist auf orale Dosierhilfen wie Kolbenpipetten, Oraldispenser oder Feindosierspritzen zu legen. Diese ermöglichen im Gegensatz zum Dosierlöffel gerade im pädiatrischen Bereich eine genaue Dosierung des Wirkstoffes und sollen Standard in jeder Apotheke sein.
Bei den wissenschaftlichen Hilfsmitteln nach § 5 Abs. 1 ApBetrO gehören DAC und NRF zur Pflichtliteratur und müssen in der Apotheke vorhanden sein.
Das vorhandene QMS muss in der Apotheke umgesetzt, d.h. gelebt werden mit Aufzeichnungen, Listen und Nachweise. Ein Handbuch mit Unterschrift reicht als Nachweis nicht aus.
Auf die Praxis der Apothekeninspektion von § 35 ApBetrO – die Überwachung z.B. von Zytostatikalabors – ging der leitende Pharmaziedirektor
Dr. Albert Vogt, Regierung von Oberfranken, Bayreuth, anhand des Fragen- und Antworten-Papiers der AATB vom 27.02.2014 (siehe www.pharmazierat.de) ein. Für die Befüllung von Schmerzpumpen gelten die Vorgaben des § 35 ApBetrO analog. Es kann allerdings zeitlich getrennt nach ordnungsgemäßer Reinigung (validiert) an der gleichen Werkbank gearbeitet werden. Bei geringen Herstellungsmengen von Parenteralia ist ein Isolator eine geeignete Alternative. Im Betriebszustand, d.h. während der Herstellung von Parenteralia, ist ein kontinuierliches Partikelmonitoring in der Werkbank erforderlich. Die anderen Bereiche sind an kritischen Stellen mit einem mobilen Partikelzählmessgerät regelmäßig zu überprüfen. Weitere Indikatoren für die Reinraumklassen sind die Luftwechselzahl und v. a. die Erholzeit. Beim Druckgefälle zur Schleuse sind 10 Pa ausreichend. Eine Druckkaskade wird gefordert. Für das mikrobiologische Monitoring sind bei jeder Arbeitssitzung Sedimentationsplatten zu bebrüten. Ein Handschuhabdruck aller Finger ist am Ende jeder Arbeitssitzung, die Herstellung eines Dummys am Ende des Arbeitstages erforderlich. Die Grundüberlegung bei der Validierung und laufenden Kontrolle eines Labors zur Herstellung von Parenteralia ist: Wo, wann und was sind kritische Schritte bei der Herstellung?
Die Einsatzmöglichkeiten der NIR- und MIR-Spektroskopie in der Apotheke zeigte
Prof. Dr. Andreas Link, Institut für Pharmazie, Abt. Pharmazeutische Chemie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, auf. Die NIR-Spektroskopie ist eine Prüfmethode der Ph.Eur.8. Entscheidend beim Einsatz des jeweiligen NIR-Gerätes ist die Qualität der für dieses Gerät hinterlegten Referenz-Datenbank. Diese soll alle Chargen der tatsächlich gehandelten Substanzen beinhalten. Der Einsatz eines NIR-Gerätes ist für viele Substanzen möglich, aber nicht für fette Öle, Salbengrundlagen oder TCM-Drogen. Die NIR-Spektroskopie als allein vorhandene Methode zur Identitätsprüfung in der Apotheke ist nicht möglich (siehe Resolution). Für die Prüfung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln ist MIR geeignet, NIR nicht. Mit MIR ist auch eine Gehaltsbestimmung möglich.
Zum Abschluss der Tagung hielt
Prof. Dr. Thomas Herdegen, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, einen brillanten Festvortrag über „Dopamin – explosiver Treibstoff für Triebe und Handeln“. Das dopaminerge Belohnungssystem ist phylogenetisch sehr alt und wird von „kulturellen“ und „sozialen“ Reizen stimuliert. Jede Sucht oder besser Abhängigkeit ist mit Dopamin verknüpft. Dopamin treibt uns und die Lust, die Sucht voran. Da das Dopamin-Glücksgefühl, das durch selbst zugeführte Suchtmittel ausgelöst wird, über 3 Monate im Gedächtnis verankert bleibt, dauert ein Entzug auch mindestens so lange.
Turnusbedingt waren Neuwahlen erforderlich.
Die APD sprach einstimmig dem bisherigen Vorstand für weitere 3 Jahre das Vertrauen aus.
Der wiedergewählte Vorstand:
1.Vorsitzender: |
Christian Bauer, Burglengenfeld |
2.Vorsitzende: |
Dr. Ute Stapel, Hamm |
Schatzmeister: |
Dr. Walter Taeschner, Lörrach |
Beiräte: |
Dr. Winfried G. Berger, Essen
Dr. Wolfgang Kircher, Peißenberg
|
Im Rahmen einer Feierstunde wurde
Dr. Winfried-G. Berger
für seine herausragenden Verdienste um die APD die Cosmas-und-Damian-Medaille verliehen und zum Ehrenmitglied ernannt. Dr. Berger kümmert sich seit über 13 Jahren vorbildlich um die Organisation der Tagung und wird der APD auch weiterhin mit seiner Erfahrung zur Seite stehen. Dafür sei ihm und seiner Lebensgefährtin Frau Hofmann nochmals ganz ausdrücklich im Namen der APD gedankt.
Die ausgezeichnete Vorbereitung der Tagung lag in den Händen von
Dr. Walter Taeschner
und
Dr. Winfried-G. Berger. Ein attraktives Rahmenprogramm ergänzt jede APD-Tagung: in der alten Hansestadt Bremen boten nicht nur der Roland, das berühmte Rathaus oder die Bremer Stadtmusikanten sehr viel Interessantes.
Die finanziellen Belange der Tagung und der APD lagen wie immer in den zuverlässigen Händen des Schatzmeisters der Arbeitsgemeinschaft,
Dr. Walter Taeschner, Lörrach.
Die APD bedankt sich in diesem Zusammenhang für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen und Institutionen: ABDA, Apothekerkammer Bremen, Dt. Apothekerverlag, Alliance Healthcare, Sanacorp, VSA und Wepa.
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dem gesamten Vorstand der APD,
Dr. Ute Stapel,
Dr. Winfried-G. Berger,
Dr. Wolfgang Kircher
und
Dr. Walter Taeschner, für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung.
Zur Information:
Unter
www.pharmazierat.de
können alle Resolutionen und Berichte nachgelesen werden.
Zum Vormerken:
Die nächste Arbeitstagung der APD findet vom 18.10.2015 bis 21.10.2015 in Mainz statt.
Christian Bauer
Vorsitzender der APD
Löwen-Apotheke, Regensburger Str. 35, 93133 Burglengenfeld; Tel. 09471/5789;
ch-bauer@t-online.de