2012 Bamberg

Die neue Apothekenbetriebsordnung – das Thema der diesjährigen Pharmazierätetagung

Die jährliche Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) fand in diesem Jahr vom 14. bis 17. Oktober 2012 in Bamberg mit einer Rekordbeteiligung statt. Über 100 ehrenamtliche Pharmazieräte, Amtsapotheker und Vertreter der zuständigen Ministerien und Bezirksregierungen aus ganz Deutschland sowie der Standesvertretungen beschäftigten sich mit der Umsetzung und Überwachung der neuen Apothekenbetriebsordnung mit dem Ziel einer einheitlichen Auslegung in allen Bundesländern.

Um eine einheitliche Apothekenüberwachung in allen Bundesländern zu gewährleisten, haben sich Pharmazieräte und Amtsapotheker als Sachverständige für das Apotheken- wesen zur Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) zusammenge- schlossen. Auf der jährlich stattfindenden, 2 1/2-tägigen Arbeitstagung diskutieren sie gemeinsam mit Experten aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) und Vertretern der Standesorganisationen aktuelle fachliche und rechtliche Fragen mit dem Ziel, einheitliche Antworten darauf zu finden. Diese werden der fachlichen und politischen Öffentlichkeit in Form von Resolutionen und Sachverständigengutachten zur Kenntnis gegeben (z.B. in der Fachpresse).
Dieses Jahr stand naturgemäß die neue Apothekenbetriebsordnung, die am 12.06.12 in Kraft trat, im Mittelpunkt der Tagung. Auch die Neufassung der ApBetrO wirft Fragen zur Umsetzung und Auslegung einzelner Paragraphen und unbestimmter Rechtsbegriffe auf. Als Ergebnis der intensiven Diskussion wurden als Resolution Eckpunkte zu einzelnen Paragraphen der ApBetrO erarbeitet und einstimmig verabschiedet.
 
Traditionsgemäß eröffnete der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands, Christian Bauer, die Arbeitstagung mit einem kurzen Grundsatzstatement. Er betonte, dass die APD mit der vorliegenden ApBetrO ganz zufrieden sei. Die APD habe die Entstehung der ApBetrO intensiv und konstruktiv begleitet und finde sich nun in vielen Punkten wieder. Hervorzuheben sei die Stärkung des Apothekerberufes durch die Übertragung von mehr Verantwortung und durch das Hervorheben des Heilberufscharakters. Jetzt gelte es, die neuen oder geänderten Vorschriften der ApBetrO einheitlich auszulegen, einheitlich umzusetzen und einheitlich zu überwachen. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf einen angenommenen Antrag auf dem Dt. Apothekertag zu diesem Thema.
 
Grußworte sprachen für das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Staatssekretärin Melanie Huml sowie für die Bayerische Landesapothekerkammer Präsident Thomas Benkert.
 
Staatssekretärin Huml betonte, die Bayerische Staatsregierung stehe uneingeschränkt zur inhabergeführten Präsenzapotheke und zum „freien Heilberuf Apotheker“. Sie bedauerte, dass es derzeit keine Mehrheit für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und für ein Verbot der „Pick-up-Stellen“ gebe. Als wichtigste Aufgabe der Pharmazieräte und Amtsapotheker bezeichnete sie den gesundheitlichen Verbraucherschutz in der Arzneimittelversorgung. Die APD sei dabei die „Klammer“ für eine einheitliche Apothekenüberwachung.
 
Präsident Thomas Benkert begrüßte ebenfalls das Ziel der ApBetrO: die Stärkung des Apothekers als Heilberuf. Zugleich zeigte er die vielfältigen Aktivitäten auf, mit denen die Bayerische Landesapothekerkammer den Apotheken bei einer praxisgerechten Umsetzung der ApBetrO behilflich ist – von Fortbildungsveranstaltungen über Dokumentationsvorlagen bis hin zu einem abgespeckten Muster-QMS.
 
Die derzeitige Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), Ministerialrätin Sigrid Meierkord, Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden Württemberg, berichtete über aktuelle Beschlüsse aus dieser Arbeitsgruppe. Für die nächste Sitzung stehe auch die Umsetzung der ApBetrO in die Überwachungspraxis auf der Tagesordnung. Dabei sollen u.a. einheitliche Kriterien für den Revisionsbogen erarbeitet werden. Daneben beschäftigt sich die AATB mit der Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen und der Umsetzung der europäischen Fälschungsrichtlinie.
 
Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, ging auf die Umsetzung der neuen ApBetrO aus Sicht der Bundesapothekerkammer ein. Sie forderte dazu auf, ein QM-Handbuch zur gelebten Praxis zu machen und dabei auch die Leitlinien der Bundes- apothekerkammer zur Qualitätssicherung mit einzubinden. Eine Verbesserung in der Palliativversorgung werde sowohl durch den neuen § 15 ApBetrO als auch durch das 2. AM-Rechtsänderungsgesetz erreicht.
 
Die aktuellen Entwicklungen im Arzneimittel- und Apothekenrecht aus der Sicht der ABDA beleuchtete der Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, Lutz Tisch. Mit dem 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften wurde die Klarstellung der grenzüberschreitenden Geltung der AMPreisV, die Möglichkeiten zur Überlassung von Betäubungsmitteln an Palliativpatienten und eine erweiterte Anzeigepflicht bei Filialleiterwechsel (§ 2 Abs. 5 ApoG) beschlossen.
Ausführlich ging er auf die aktuelle Rechtsprechung im Apothekenbereich ein, die mittlerweile vermehrt auf den heilberuflichen Charakter des Apothekers und der Apotheke abstellt. So hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass ein Krankenhausversorgungsvertrag mit einer Entfernung von 216 km zwischen versorgender Apotheke und Krankenhaus nicht genehmigungsfähig sei, weil hier die pharmazeutische Beratung und die Akutversorgung nicht mehr gewährleistet seien (Urt. V. 30.08.12, Az. 3 C 24/11). Mittlerweile hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Geltung des Selbstbedienungsverbotes für apothekenpflichtige Arzneimittel bestätigt (mündliche Verhandlung am 18.10.12). Damit setzt sich ein Trend in der Rechtsprechung fort, das Arzneimittel als ein besonderes Gut zu sehen, das des Fachmanns Apotheker bedarf. Die APD sieht mit diesen Urteilen und mit der neuen ApBetrO eine deutliche Stärkung der heilberuflichen Ausrichtung des Apothekers, hinter der das wirtschaftliche Gewinnstreben des Apothekers zurückstehen muss – ganz im Sinne des Versorgungsauftrages der öffentlichen Apotheke nach § 1 ApoG.
 
Die Umsetzung der GHS-Verordnung in der Apotheke war Thema der APD-Tagung 2011. Die APD hat dazu Informationsmaterial auf ihrer Homepage veröffentlicht (www.pharmazierat.de). Um die Umsetzung in den Apotheken zu erleichtern, ist die APD an den PHAGRO mit der Bitte herangetreten, die Sicherheitsdatenblätter zu den Gefahrstoffen den Apotheken in aktueller Form zur Verfügung zu stellen. Der PHAGRO hat dankenswerter diese Aufgabe übernommen. Nachdem eine CD-ROM nicht die erforderliche Aktualität gewährleistet, hat der PHAGRO eine neue, ständig aktuelle Datenbank der Sicherheitsdatenblätter erstellt, bei deren Entwicklung auch die Wünsche der APD mit einflossen. Bernadette Sickendiek, Geschäftsführerin, und Thomas Porstner, Justitiar des PHAGRO, stellten den Tagungsteilnehmern ausführlich diese neue, benutzerfreundliche Datenbank vor (www.phagro-sdb.de). So ist eine Suche nach Produktnamen, chemischer Bezeichnung, Hersteller oder PZN möglich. Der Erstinverkehrbringer von Sicherheitsdatenblättern ist für die ständige Aktualität verantwortlich, der PHAGRO stellt diese Informationen nur bereit. Mit diesem kostenlosen Portal ermöglicht der PHAGRO den Apotheken einen jederzeit aktuellen Zugriff auf aktuelle Sicherheitsdatenblätter.
 
Mit dieser Datenbank kann die einzelne Apotheke dann ganz problemlos auf die Sicherheitsdatenblätter der dort gelisteten Firmen zugreifen und deren entsprechende Produkte vorschriftsgemäß in der Apotheke verwenden.
Die APD würde es ausdrücklich begrüßen, wenn möglichst alle Hersteller/Lieferanten von Gefahrstoffen in Deutschland ihre Sicherheitsdatenblätter dem Portal des PHAGRO zur Verfügung stellen würden.
 
Der größte Teil der diesjährigen Tagung war der neuen ApBetrO gewidmet.
In einem Einführungsreferat stellte Ministerialrätin Dr. Dagmar Krüger, Bundesministerium für Gesundheit, nochmals die wesentlichen Gründe für die 4. ÄndV der ApBetrO vor und erläuterte einzelne Paragraphen. So waren für das BMG wesentliche Gründe für die neue ApBetrO die Verbesserung der Qualität bei den Rezepturarzneimitteln und bei der Beratung und mit Blick auf die Zukunft eine verbesserte Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
Im Bereich Vertretung des Apothekenleiters (§ 2 ApBetrO) stellte sie klar, dass das BMG keine Änderung der bisherigen Regelungen beabsichtigt hat. Das bedeutet, dass wie bisher Pharmazieingenieure/Apothekerassistenten maximal 4 Wochen im Jahr den Apothekenleiter vertreten dürfen. Ausnahmen: Dies gilt nicht für die Vertretung des Inhabers der Betriebserlaubnis der Hauptapotheke eines Filialverbundes, nicht für die Vertretung des Leiters einer krankenhausversorgenden Apotheke und nicht für die Vertretung des Leiters einer Apotheke mit Stellen/Verblistern von Arzneimitteln oder mit Herstellung von Parenteralia. Der Vertreter hat während der Dauer der Vertretung die Pflichten des Apothekenleiters auch im Bereich § 7 und 8 ApBetrO (z.B. Plausibilitätsprüfung).
Im Bereich § 20 ApBetrO Beratung hat der Apothekenleiter schriftlich festzulegen, welche Kompetenzen das sonst. pharmazeutische Personal (z.B. PTA) übertragen bekommt und ab wann ein Apotheker hinzu zu ziehen ist. Der Beratungsbedarf ist bei jeder Abgabe von Arzneimitteln fest zu stellen, auch bei der Selbstmedikation. Da es sich bei der Beratung um eine elementare und unverzichtbare Aufgabe des Apothekers handelt, werden die Aufsichtsbehörden die Umsetzung der Anforderungen des § 20 ApBetrO mit überwachen.
 
Das BMG, die AATB, die ABDA und die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands sprechen sich für eine einheitliche Umsetzung der neuen ApBetrO in allen Bundesländern aus.
Um dieses Ziel zu erreichen, diskutierten die anwesenden Pharmazieräte und Amtsapotheker intensiv mit dem zu diesem Zweck geladenen Expertengremium, bestehend aus Ministerialrätin Dr. Dagmar Krüger, BMG, Ministerialrätin Sigrid Meierkord, Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden Württemberg, Ministerialrat Gert Bernscher, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, Pharmaziedirektor Dr. Michael Cramer, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen, Rheinland-Pfalz, Pharmaziedirektor Dr. Klaus Kreuschner, Ministerium für Arbeit und Soziales Sachsen-Anhalt und Lutz Tisch, Geschäftsführer Recht der ABDA.
 
Dabei wurden wichtige Bestimmungen der ApBetrO herausgegriffen und die Auslegung und Umsetzung, z.B. der unbestimmten Rechtsbegriffe, diskutiert und einheitliche Anforderungen festgelegt.
Als Ergebnis wurde die nebenstehende Resolution beschlossen, die die Eckpunkte der APD zur einheitlichen Umsetzung und Überwachung der neuen ApBetrO beinhaltet.
Ein erklärtes Ziel der APD ist es, die Herstellung von qualitätsgesicherten Defekturarzneimitteln in jeder Apotheke zu ermöglichen. Dazu wird von einer Arbeitsgruppe der APD derzeit ein sog. risikobasiertes Stufenmodell mit Beispielen erarbeitet und in nächster Zeit veröffentlicht.
Da die Beratung bei jeder Arzneimittelabgabe eine wesentliche und unabdingbare Aufgabe der Apotheke ist (§ 20 ApBetrO), kann und darf auch beim Botendienst nicht darauf verzichtet werden. Sofern nicht vorher eine Beratung in der Apotheke stattgefunden hat, muss die Zustellung und Beratung durch pharmazeutisches Personal erfolgen. Dies gilt auch für Rezeptsammelstellen nach § 24 ApBetrO.
Für die Leiter einer Apotheke mit einer Versandhandelserlaubnis nach § 11 a ApoG besteht beim Versand von Arzneimitteln ebenfalls eine Beratungspflicht nach § 17 Abs. 2a Nr.7 ApBetrO. Auch dies wird Gegenstand der Apothekenüberwachung sein.
Bei externen Räumen ist während der Nutzung für pharmazeutische Tätigkeiten zwingend die Anwesenheit eines Apothekers erforderlich (Aufsichtspflicht).
 
Zum Abschluss der Tagung hielt Prof. Dr. Lorenz Meinel, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Universität Würzburg, einen sehr interessanten Festvortrag über „Seide in der Pharmazie“. Er berichtete über die Forschungen zur Verwendung von Seidenfibroin etwa für künstliche Nervenscheiden oder als Träger für einen Stimulus des Knochenwachstums. Ein wichtiger Vorteil sind die nicht vorhandenen immunologischen Reaktionen von Seidenfibroin, das z.B. aus der Milch von Ziegen gewonnen werden kann.
 
Die Tagung wurde wie jedes Jahr ausgezeichnet vorbereitet von Dr. Winfried-G. Berger. Zu jeder APD-Tagung gehört auch die Ergänzung durch ein attraktives Rahmenprogramm: Bamberg als Weltkulturerbe; als tausendjähriges Gesamtkunstwerk, das jung geblieben ist; Kaiserdom mit Bamberger Reiter; „Klein-Venedig“; „Brücken-Rathaus“ sind nur ein paar der vielen Sehenswürdigkeiten. Und zum berühmten Rauchbier konnte sich jeder seine eigene Meinung bilden…
 
Der Schatzmeister der Arbeitsgemeinschaft, Dr. Walter Taeschner, Lörrach, kümmerte sich wie immer umsichtig und zuverlässig um die finanziellen Belange der Tagung und der Arbeitsgemeinschaft.
Die APD bedankt sich in diesem Zusammenhang für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen: ABDA, Bayerische Landesapothekerkammer, Dt. Apothekerverlag, Anzag, Sanacorp, VSA und Wepa.
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dem gesamten Vorstand der APD, Dr. Ute Stapel, Dr. Winfried-G. Berger, Dr. Wolfgang Kircher und Dr. Walter Taeschner, für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung.
 
Zur Information:
Unter www.pharmazierat.de können alle Resolutionen und Berichte nachgelesen werden.
 
Zum Vormerken:
Die nächste Arbeitstagung der APD findet vom 13.10.2013 bis 16.10.2013 in Erfurt statt.
 
Christian Bauer
Vorsitzender der APD
Löwen-Apotheke, Regensburger Str. 35, 93133 Burglengenfeld; Tel. 09471/5789; ch-bauer@t-online.de
 
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