2008 Freiburg

 

 

Arzneimittelfälschungen – das Schwerpunktthema der diesjährigen Pharmazierätetagung

Die jährliche Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) fand in diesem Jahr vom 12. bis zum 15. Oktober 2008 in Freiburg statt.

Über 70 ehren- und hauptamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland trafen sich, um sich über die Gefahren von illegalen Arzneimitteln und Arzneimittelfälschungen zu informieren und die möglichen Auswirkungen auf die Arzneimittelsicherheit in Deutschland zu diskutieren.

Arzneimittel neben Drogenhandel und Geldwäsche?
Die Meldungen und Warnungen sprechen eine deutliche Sprache. Das Bundeskriminalamt (BKA) und der Zoll berichten über deutlich steigende Zahlen von Arzneimittelkriminalität in Deutschland. Das BKA warnt vor „Lebensgefahr durch gefälschte Pillen aus dem Netz“. Die EU-Kommission sieht in Arzneimittelfälschungen eine immer größere Gefahr für die Gesundheit der Bürger in der EU. Die WHO beziffert den weltweiten Umsatz mit illegalen und gefälschten Arzneimitteln auf derzeit 7,5 Milliarden Dollar und schätzt, dass dieser Umsatz bis 2010 auf das Zehnfache steigt.
Längst hat die organisierte Kriminalität diesen Markt für sich entdeckt. Wurden früher Handtaschen, Markenuhren oder Poloshirts gefälscht, so sind es jetzt Viagra und Co. Arzneimittelfälschungen sind mittlerweile lukrativer als Kokain und erzielen deutlich höhere Gewinnspannen.
Alle Referenten betonten daher die Arzneimittelsicherheit und den sicheren Vertriebsweg über die öffentliche Apotheke.
 
Grußworte sprachen für die Baden-Württembergische Landesregierung Ministerialrätin Sigrid Meierkord und für die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg Kammerpräsident Dr. Günter Hanke. Beide dankten den Pharmazieräten für ihre zumeist ehrenamtliche Tätigkeit und würdigten diese Überwachungsfunktion als wichtigen Beitrag zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
 
Über Aktuelles aus der Apothekengesetzgebung berichtete die Leiterin des Referates „Arzneimittelzulassung und –qualität, Apothekenbetrieb“ im BMG, Regierungsdirektorin Dr. Dagmar Krüger. So ist in der 15. AMG-Novelle eine Strafverschärfung für den Handel mit gefälschten Arzneimitteln geplant. In § 4 AMG wird auch die Anwendung von Arzneimitteln verankert. Da die geplante Neufassung der Apothekenbetriebsverordnung auch aufgrund anstehender Gerichtsurteile noch dauert, wird derzeit eine Änderungsverordnung überlegt, die sich mit konkretisierenden Regelungen für Verblisterung und Rezeptsammlung und mit einer Aktualisierung der Notfallarzneimittel und von Prüfgeräten/Prüfmitteln befassen soll. Auch über ein Qualitätssicherungssystem für jede Apotheke wird nachgedacht. Das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist aus Sicht des BMG keine Option. Das stattdessen vorgesehene Siegel und das Register für legale Versandapotheken fanden nicht die Zustimmung der Tagungsteilnehmer.
Regierungsdirektor Gert Bernscher, Leiter des Referats „Arzneimittel, Apotheken-wesen, Medizinprodukte“ im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz berichtete als deren turnusmäßiger Vorsitzender über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Er wies auf die Gefahren des Wildwuchses bei Arzneimittelabgabestellen hin und betonte, dass pickup-Stellen derzeit keiner Überwachung nach dem AMG unterliegen. Das BMG wird gebeten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, d.h. primär die Abschaffung dieser Auswüchse.
 
Besonders freuten sich die Tagungsteilnehmer, die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, begrüßen zu dürfen, die über die Zukunft der Apotheke aus Sicht der BAK sprach. Die inhabergeführte Apotheke ist aufgrund ihrer Nähe zum Patienten, ihrer sozialen Funktion, und ihrer guten und unabhängigen Beratung eine wichtige Säule der Gesundheitsversorgung, die andere Vertriebsformen wie Ketten oder Versandhandel überflüssig macht. Die inhabergeführte Apotheke hat Zukunft!
Der Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, betrachtete illegale Arzneimittel aus Sicht der öffentlichen Apotheke und warnte eindringlich vor fremden Vertriebskanälen.
Der Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, Lutz Tisch, beleuchtete die bevorstehenden EuGH-Entscheidungen über Fremd- und Mehrbesitz und die Problematik des Versandhandels aus der Sicht des Juristen. Ausdrücklich wies er auf die Ungleichbehandlung von öffentlichen Apotheken und Versandhandel beispielsweise in der Beratungspflicht von Patienten hin. Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist europa- und verfassungsrechtlich möglich und aufgrund der unteilbaren Arzneimittelsicherheit erforderlich. In einem zweiten Vortrag erläuterte Tisch das Gesetzgebungsverfahren und das Zusammenspiel der Hauptorgane in der EU.
In einem beeindruckenden Vortrag zeigte Professor Dr. Harald Schweim, Rheinische-Friedrich-Wilhelm Universität Bonn, die Problematik, Geschäftspraktiken und gewaltigen Ausmaße des Handels mit illegalen und gefälschten Arzneimitteln auf. So soll das Marktvolumen bis 2010 auf über 60 Milliarden Euro steigen. Waren die Fälscher früher in Hinterhofwerkstätten in Ländern der 3.Welt zugange, so werden Fälschungen von Arzneimitteln auch in europäischen Ländern durchgeführt, wie Ermittlungen der Behörden z.B. in Großbritannien feststellten. Gefälscht werden Arzneimittel mit hohen Preisen, bekannten Marken und hohen Margen ebenso wie Lifestyle-Arzneimittel oder Arzneimittel mit Suchtpotential. Die Fälschungen sind oft nur mit großem apparativen Aufwand zu erkennen. Das Fälschen von Blistern, Verpackung, Siegel oder Hologrammen ist kein Problem. Teilweise wird Arzneimittelmüll aufgekauft, nach Indien verschifft, dort aussortiert und neu gefüllt und wieder in den Handel gebracht. Durch das Einführen von Parallelimporten hat sich der Verbraucher an zerschnittene Blister und fremdsprachiges Verpackungsmaterial bei Arzneimitteln gewöhnt, so dass Fälschungen noch schwieriger zu erkennen sind. Die Zunahme des Vertriebsweges Internet-Versandhandel öffnet den Fälschungen Tür und Tor. Der WHO zufolge liegt der Anteil an gefälschten Arzneimitteln in Europa bei 10%, bei illegalen Internetversendern wird er auf fast 50% geschätzt. Es ist für die Verbraucher kaum möglich, eine seriöse Internetapotheke von einer unseriösen zu unterscheiden. Siegel, Zertifikate oder Internetseiten können ganz leicht gefälscht werden, wie Prof. Dr. Schweim mit seinem Projekt „Fake-Versand-Apotheke“ eindrucksvoll vorführte. Das Problem Internet als Superhighway für Arzneimittelfälschungen sollte von der Politik schnellstmöglich angegangen werden.
Regierungspharmazierat Leo Leineweber vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen referierte über die Bearbeitung von Verdachtsproben von illegalen Arzneimitteln in einer Arzneimitteluntersuchungsstelle und zeigte auf, wie geschickt Arzneimittel gefälscht werden.
Das Bundeskriminalamt (BKA) sieht aufgrund der kontinuierlich steigenden Fallzahlen mit gefälschten Arzneimitteln Handlungsbedarf und hat deshalb eine eigene Abteilung SO 36 eingerichtet, wie Kriminaloberrat Heiko Löhr von dieser Abteilung des BKA berichtete. Ziel ist die Vernetzung und der Ausbau der Kooperation mit Verbänden, z.B. mit der Apothekenüberwachung, und externen Organisationen, auch auf internationaler Ebene. Denn die Gruppierungen, die Arzneimittel fälschen, haben eine internationale Arbeitsteilung und eine weltweite Marktdurchdringung. Eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren des Internethandels mit Arzneimitteln sei dringend nötig.
Zum Abschluß der Tagung referierte Dr. Thomas Trümper, Vorsitzender des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) über den Arzneimittelmarkt in Europa aus Sicht des pharmazeutischen Großhandels. Er zeigte auf, dass in der bestehenden Handelskette Hersteller – Großhandel - öffentliche Apotheke in Deutschland als geschlossenes System Fälschungen keine Chance hätten, dass aber bereits Parallelimporte ein wesentlich höheres Risiko aufweisen. Er forderte die Einbindung des Großhandels in den gesetzlichen Versorgungsauftrag.
In einer einstimmig beschlossenen Resolution sprachen sich die Teilnehmer für ein Verbot des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln und für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor gefälschten Arzneimitteln aus und appellierten an die Fürsorgepflicht des Staates.
 
Die Vorbereitung der Tagung lag wieder in den bewährten Händen der stellvertretenden Vorsitzenden der APD, unserer Kollegin Sylvia Demelius, die sich bis zu ihrem viel zu frühen Tod für die Tagung eingesetzt hat, und unseres Kollegen Dr. Winfried-G. Berger. Für den kulturell-kulinarischen Teil der Tagung bot das romantische Freiburg mit seinem mediterranen Flair umgeben vom Schwarzwald und den Weinbergen einen sehr schönen Rahmen. Die unverzichtbare finanzielle Basis verwalteten, wie immer umsichtig und zuverlässig, der Schatzmeister der Arbeitsgemeinschaft, Dr. Helger Buttle und seine Frau Isolde, beides Kollegen aus Hannover. Den Organisatoren sei für ihren uneigennützigen, ehrenamtlichen Einsatz herzlich gedankt.
Die APD bedankt sich für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen: ABDA, Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, ANZAG, Sanacorp, VSA, Wepa, Bruker Optik, Bayer Vital, NARZ und Dt. Apothekerverlag.
Der am 21.03.08 verstorbenen stellvertretenden Vorsitzenden Sylvia Demelius wurde im Rahmen einer Feierstunde für ihre herausragenden Verdienste posthum die Cosmas-und-Damian-Medaille verliehen, die stellvertretend ihr Ehemann Dr. Winfried G. Berger entgegennahm. Die APD wird sie immer in Erinnerung behalten.
Durch den Verlust von Sylvia Demelius und durch das altersbedingte Ausscheiden des Schatzmeisters Dr. Helger Buttle waren Neuwahlen erforderlich.
 
 
Die APD wählte einstimmig folgende Personen zum neuen Vorstand:
 
1.Vorsitzender: Christian Bauer, Burglengenfeld
2.Vorsitzende: Dr. Ute Stapel, Hamm
Schatzmeister: Dr. Walter Taeschner, Lörrach
Beiräte: Dr. Winfried G. Berger, Essen
Dr. Wogang Kircher, Peißenberg

Zum Vormerken:
Die nächste Arbeitstagung der APD findet vom 11. bis 14. Oktober 2009 in Essen statt.
 
Christian Bauer, Vorsitzender
Dr. Helger Buttle, Finanzen
 

 

 

 

 

 
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